Donnerstag, 15. April 2010

Das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht

Verfassungsbeschwerden zu Startgutschriften für rentenferne Versicherte
der VBL nicht zur Entscheidung angenommen


Die Verfassungsbeschwerden betreffen die in Form von sogenannten
Startgutschriften ermittelte Höhe der Rentenanwartschaften der
rentenfernen Versicherten der Versorgungsanstalt des Bundes und der
Länder (VBL). Die VBL hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern
der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege
privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-,
Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Durch
Neufassung ihrer Satzung (VBLS) hat sie ihr Zusatzversorgungssystem zum
31. Dezember 2001 umgestellt. Der Systemwechsel ist Folge einer Einigung
der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes. Darin wurde das
bisherige endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und
durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem
ersetzt. Die VBLS enthält ebenfalls auf Vereinbarungen der
Tarifvertragsparteien beruhende Übergangsregelungen für die bis zur
Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig
festgestellt und als Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten
der Versicherten übertragen. Dabei wird zwischen rentennahen und
rentenfernen Versicherten unterschieden.

Die Beschwerdeführer, die beide am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr
noch nicht vollendet hatten, gehören der Gruppe der rentenfernen
Versicherten an. Sie erstrebten die Feststellung, dass die ihnen durch
die VBL erteilten Startgutschriften unverbindlich seien und die ihnen zu
gewährenden Zusatzversorgungsrenten bestimmte Mindestwerte erreichen
müssten. Zudem wollten sie die VBL verpflichten, bei einer Neuberechnung
bestimmte Berechnungselemente zugrunde zu legen. Der Bundesgerichtshof
erklärte zwar die Übergangsregelung für die rentenfernen Versicherten
wegen eines gleichheitswidrigen Berechnungsdetails für unwirksam und die
auf den Übergangsvorschriften beruhenden Startgutschriften für
unverbindlich. Er lehnte es aber ab, die dadurch in der VBLS entstandene
Lücke selbst zu schließen. Den Tarifvertragsparteien müsse mit Blick auf
deren in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie Gelegenheit zur
Neuregelung gegeben werden.

Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur
Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerden sind mangels
Beschwer unzulässig, soweit die Beschwerdeführer vorbringen, die
Gerichte hätten die Verfassungswidrigkeit zahlreicher weiterer Punkte in
den Übergangsvorschriften verkannt. Die Beschwer muss sich unmittelbar
aus dem Tenor der Entscheidung ergeben und kann grundsätzlich nicht
darauf beruhen, dass ein Gericht lediglich in den Entscheidungsgründen
eine Rechtsauffassung vertreten hat, die die Beschwerdeführer für
grundrechtswidrig erachten. Die angegriffenen Entscheidungen hatten die
Unverbindlichkeit der erteilten Startgutschriften festgestellt und
enthielten daher keine nachteiligen Rechtswirkungen zu Lasten der
Beschwerdeführer. Bei der notwendigen Neuregelung werden die
Tarifvertragsparteien die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelungen
für rentenferne Versicherte ohnehin neu zu überdenken haben.

Die Verfassungsbeschwerden sind auch unbegründet. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof
den über die Feststellung der Unverbindlichkeit der Startgutschriften
hinausreichenden Begehren der Beschwerdeführer unter Verweis auf die
Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien nicht entsprach. Die Abwägung
des Bundesgerichtshofs zwischen den Interessen der Versicherten und der
Tarifautonomie lässt eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung und
Tragweite des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes nicht erkennen. Eine
gerichtliche Festlegung der VBL auf bestimmte Anwartschaftswerte oder
Berechnungswege kommt hier angesichts der verfassungsrechtlich
geschützten Tarifautonomie nicht in Betracht. Solange für eine
Neuregelung mehrere verfassungskonforme Möglichkeiten offen stehen, hat
sich der Staat im Betätigungsfeld der Tarifvertragsparteien
grundsätzlich der Einflussnahme zu enthalten. Hinreichender Rechtsschutz
der Versicherten ist dadurch gewährleistet, dass sie eine zu erwartende
Neuregelung wiederum einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen können.


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